Mit Kindern achtsam sprechen

„Siehst Du, Momo“, sagte er, „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang, die kann man niemals schaffen, denkt man.“ Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: „Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun, und zum Schluss ist man ganz aus der Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem.

So darf man es nicht machen!“ Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst Du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, den nächsten Atemzug, den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur den nächsten.“ Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: „Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“

Michael Ende, Buch Momo  Quelle: https://beruhmte-zitate.de/themen/sprache/

Achtsam

Achtsam – Bedeutung – auf den Moment gerichtet, aufmerksam, klar, nicht wertend

Als wäre es immer so einfach. Der Alltag, die To-dos, mentale Belastungen und dazwischen wird so viel gesprochen, so viele Worte, so viel Information und dann soll man noch aufpassen, was man sagt, wie man´s sagt, zu wem man was sagt und wer sonst noch zuhört. Also: Innehalten, atmen und einfach nur an den nächsten Schritt denken.

Manchmal wundern wir uns, woher unsere Kinder ihre Ausdrucksweise haben. Teilweise verblüffen sie uns mit ihrem rasend schnell wachsenden Wortschatz, mit Wortkreationen, die uns zum Lachen bringen oder mit Schimpfwörtern, von denen wir uns gewünscht hätten, sie würden sie nicht aufsaugen wie ein Schwamm. Manchmal erschrecken wir auch, weil es so klar ist, dass wir ihre Vorbilder sind – nicht immer nur im besten Sinne.

In der Kommunikation dürfen wir ruhig etwas aufmerksamer sein, denn nichts kann so wehtun, wie ein paar unachtsam ausgesprochene Worte. Wenn Kinder in der Nähe sind oder wir mit Kindern sprechen, dürfen wir noch ein Stück achtsamer sein als sonst. Kinder hören mit, auch wenn sie scheinbar in ihr Spiel vertieft sind oder wir uns außer Hörweite wähnen.

Denkanstöße für den Alltag

Ihr Kind hat neue Malstifte bekommen und kommt freudestrahlend mit der fünften Zeichnung der letzten halben Stunde zu Ihnen, um Ihnen das neue Kunstwerk zu zeigen. „Oh, schön!“, rufen Sie nicht mehr ganz so enthusiastisch wie vor 30 Minuten aus.

Aussagen wie: „Das hast du schön gemacht.“, „Sei ein braves Kind.“, „Setzt dich ordentlich hin!“ oder „Das ist aber ein toller Turm.“, bewerten das Verhalten Ihres Kindes. Wir hoffen so, unsere Kinder mit kurzer Aufmerksamkeit abspeisen zu können. Doch Sie senden Ihrem Kind dadurch mehrere Botschaften, die für die kindliche Entwicklung störend sein können.

Sie vermitteln ihm, dass Sie das Maß für „Gut“ und „Schlecht“ kennen. Die Botschaft lautet also: Verhalte dich so, wie ich es für gut halte. Das Kind lernt, die Bestätigung im Außen zu suchen. Für ein ausgeglichenes Ich ist es allerdings notwendig, ein Gespür für den eigenen Wert zu erlangen. Stichwort: Selbstwert kennen. Diese Abhängigkeit von der Bestätigung von außen kann sogar süchtig machen und gefährlich werden. Für die Entwicklung der intrinsischen Motivation ist permanentes Lob von außen kontraproduktiv.

Mehr als Orientierung

Natürlich brauchen Kinder Orientierung und Halt. Nur so lernen sie, wie sie sich in welcher Situation verhalten können. Kinder probieren etwas aus, warten die Reaktion der Bezugsperson ab und passen dann ihr Verhalten entsprechend an.

Allerdings können wir diese Reaktion gestalten:

  • Wir können möglichst ohne Bewertung unsere Beobachtung mitteilen.
  • Wir können mit ihnen über ihre und unsere Gefühle und Bedürfnisse sprechen oder ihnen Fragen dazu stellen.
  • Wenn es notwendig ist, können wir gemeinsam schauen, wir unsere unterschiedlichen Bedürfnisse erfüllen können.

„Mit den neuen Malstiften macht dir das Malen vermutlich wirklich Spaß. Ich freue mich, dass du so viel Verschiedenes ausprobierst.“

„Ich sehe, dass du so viele verschiedene Farben verwendet hast. Macht es dir Spaß?“

Präzise Kommunikation

Achtsamkeit bedeutet auch, den Focus auf das Hier und Jetzt zu legen. Kinder können das hervorragend. Sie spielen jetzt, tauchen voll und ganz ein und verschwenden keinen Gedanken an später. Wenn Ihr Kind mit einem Anliegen zu Ihnen kommt und sie es mit Aussagen wie „das machen wir gleich“ oder „Ja, nachher.“ versuchen zu vertrösten, ist Unmut vorprogrammiert.

Kinder müssen nicht immer alles sofort haben oder ihren Bedürfnissen muss nicht immer augenblicklich nachgegeben werden. Das ist häufig nicht der Grund für Konflikte. Kinder können mit unpräziser Kommunikation und vor allem mit ungenauen Zeitangaben nichts anfangen. Die Entwicklung eines Zeitgefühls beginnt erst zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr. Wann ist also „später“ oder wann ist „bald“?

Wenn Sie tatsächlich etwas auf später verschieben wollen, verwenden Sie eine etwas genauere Zeitangabe: „Wenn ich den Kaffee ausgetrunken habe, spielen wir zusammen.“ Oder: „Wenn der große Zeiger auf die Sechs zeigt, bin ich mit meiner Arbeit fertig.“ Verwenden Sie auch gerne eine Stoppuhr oder eine Sanduhr oder nehmen Sie einen Fixpunkte des Alltags wie „nach dem Abendessen“ als zeitlichen Richtwert. Selbstverständlich halten Sie dann Ihr Versprechen dann auch ein, ansonsten lernt Ihr Kind, dass sich Warten nicht lohnt und hält Sie für unzuverlässig.

Achtsamkeit als Investition

Ein bisschen Achtsamkeit in die Kommunikation zu bringen ist eine gute Investition. Unsere Kinder profitieren davon, indem sie lernen über ihre Gefühle und Bedürfnisse nachzudenken und zu sprechen. Sie bauen ihren Selbstwert unabhängig von Bewertungen von außen auf und lernen, sich präzise auszudrücken. Auch wir Eltern profitieren von dieser Kommunikation, weil wir die Beziehung zu unseren Kinder bewusster gestalten uns sie dadurch gestärkt wird. Wir vermeiden so Konflikte oder können sie respektvoll lösen.

Bei der Umsetzung denken Sie nicht an die lange Straße, die noch vor Ihnen liegt, denken Sie an den nächsten Schritt. Im Zweifelsfall bleiben Sie stehen und schauen sich erst einmal um.

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