In den öffentlichen Bussen in unserer Stadt gibt es jetzt kleine USB-Stecker, damit man sein Handy auch unterwegs aufladen kann. Als ich an der Bushaltestelle warte, steht neben mir ein Teenager und schaut verträumt in der Gegend herum. Sehr verdächtig! Alle anderen Wartenden scrollen auf ihren Bildschirmen herum. Sogar die junge Mutter schiebt abwesend den Kinderwagen an mir vorbei, starrt auf ihr Handy, während mir ihr Sohn die Hälfte seines angenuckelten Kipferls anbietet. Handy, Tablets, Spielekonsolen, Fernsehgeräte und PCs sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Unsere Kinder wachsen damit auf und unsere Senioren können damit besser umgehen, als wir es ihnen zugetraut hätten.
Der Fortschritt im Bereich der digitalen Medien, künstlicher Intelligenzen und ihren vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten erfolgt rasanter als wir mit pädagogischen Konzepten oder Empfehlungen für einen kindgerechten Umgang damit hinterher kommen. Laufend erscheinen neue Spiele für PCs, Konsolen oder Handys, neue Apps oder Kommunikationsplattformen. Als Elternteil hier durchzublicken oder den Überblick zu bewahren, stellt uns vor enorme Herausforderungen.
Studien zeigen ein deutliches Bild
Mittlerweile gibt es aber zahlreiche Studien, die zeigen was übermäßiger und/oder unkontrollierter Medienkonsum bei Kindern anrichten kann. So besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Mediennutzung von Kindern und Störungen in den Bereichen der kognitiven, sprachlichen und motorischen Entwicklung. Außerdem zeigen Kinder mit erhöhtem Medienkonsum Störungen der Konzentrationsfähigkeit, Hyperaktivität, erhöhtes Aggressionsverhalten und Schlafstörungen. Infolgedessen kann es zu Beeinträchtigung des Emotionsverständnisses und zu sozialen Störungen kommen. Außerdem treten bei diesen Kindern wesentlich häufiger Tagesmüdigkeit und Gewichtszunahme auf. Würden diese „Nebenwirklungen“ auf dem Beipackzettel eines Medikaments stehen, würde kein vernünftiger Elternteil dieses Medikament verabreichen.
Wir stehen vor einem Dilemma. Auf der einen Seite können wir nicht ohne digitale Medien, auf der anderen Seite machen sie uns krank. Doch wie bei so vielem gilt: Die Dosis macht das Gift. Daher gibt es verschiedene Empfehlungen für die Mediennutzung und den gesunden Umgang damit kann man lernen. Die American Academy of Pediatrics empfehlt beispielsweise keine Bildschirmzeit bis zum Alter von 2 Jahren und bis zum Schuleintritt mit ca. 5-6 Jahren eine maximale Dauer von 60 Minuten. Unter Bildschirmzeit ist die gesamte Dauer zusammengefasst, die ein Kind mit Handy, TV, Tablet und Spielkonsole verbringt. Die Empfehlungen der WHO fallen etwas großzügiger aus: Kinder unter einem Jahr sollte man von Bildschirmen fern halten, bis zum Altern von zwei Jahren sieht die WHO eine Zeitdauer von maximal 60 Minuten vor, in der aber ständig eine Erwachsene Person anwesend sein soll. Bis zum Schuleintritt kann diese Beaufsichtigung laufend gelockert, die Zeit aber nicht verlängert werden. Die ÖGKJ – Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde lehnt ihre Empfehlungen an die Vorschläge der WHO an.
Lassen Sie Ihr Kind nicht allein
Wesentlich ist auch die inhaltliche Begleitung durch Erwachsene von Anfang an. Wir müssen wissen, was über den Bildschirm flimmert. Wir müssen die Inhalte bewusst auswählen und wir müssen mit unseren Kindern darüber reden können. Oft sind es für uns harmlose Szenen, die ein Kind schwer verstören können oder ihm Angst machen können. Manchmal tauchen diese Eindrücke Stunden später wieder auf. Stellt es dann Fragen dazu, dann sollten wir Bescheid wissen und das Kind auffangen können. Gerade Dienste wie YouTube oder TikTok bergen große Gefahren, da die Inhalte in Sekundenschnelle wechseln und wir keinen Überblick bewahren können. Kindersicherungen helfen hier nicht, das steht fest.
Die Herausforderung für uns Eltern ist, eine vernünftige Regelung für unsere Familie zu treffen. Dabei gilt es vieles zu beachten, vor allem wenn Kinder verschiedenen Alters in der Familie leben und wir Erwachsene das Handy für berufliche Zwecke trotzdem häufiger griffbereit haben sollten. Zusätzlich dürfen wir für eine Ausgewogenheit in den verschiedenen Lebensbereichen sorgen. So sollten Kinderzimmer grundsätzlich bildschirmfrei bleiben. Ja, auch keine Handy oder Tablet Spiele alleine im Kinderzimmer. Für jede Minute vor dem Bildschirm sollten wir für genauso viele Minuten analogen Ausgleich sorgen: Bewegung draußen an der frischen Luft, spielen mit Bausteinen, Lego oder Barbie und auf jeden Fall Bilderbücher vorlesen. Die Medienzeit sollte im Tagesablauf bewusst verankert werden und mindestens 60 Minuten vor dem Schlafengehen sollte es keine Bildschirmzeit geben.
Unsere Empfehlungen
Für Kinder unter zwei empfehlen wir null Bildschirmzeit und bis zum Schuleintritt möglichst viele Medienfreie Tage. Wenn, dann nur in Begleitung eines Erwachsenen und bis maximal 30 Minuten täglich.
Für Volksschulkinder empfehlen wir folgende Regelung: Von Montag bis Donnerstag keine Bildschirmzeit, dafür täglich gemeinsames Spielen und Lesen vor dem Zubettgehen. Von Freitag bis Sonntag eine maximale Bildschirmzeit von 60 Minuten täglich. Es darf Ausnahmen geben, wenn zum Beispiel am Samstagabend ein gemeinsamer „Kinoabend“ auf der Couch stattfindet.
Für Kinder von zehn bis dreizehn empfehlen wir ein Wochenkontingent zu vereinbaren. Beispielsweise 60 Minuten täglich, die Zeit kann aber gespart werden. Ab diesem Alter ist es wichtig, selbst Erfahrungen zu machen, mitzureden und Verantwortung zu übernehmen. Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Peer-Group und die Anerkennung durch sie sind wesentlich für eine gesunde Entwicklung der Persönlichkeit.
Was noch?
Parallel dazu müssen wir Eltern kritisches Denken fördern, auf Gefahren hinweisen und gegebenenfalls für unsere Kinder da sein. Erfahren sie Bedrohungen, Beschimpfungen, Beleidigungen, Mobbing oder Diskriminierung im Netz, müssen sie ohne Angst zu uns kommen können und sich unserer Unterstützung sicher sein. Erkundigen Sie sich über mögliche strafbare Handlungen, machen Sie Screenshots von Unterhaltungen oder Bildern uns senden Sie sich Sprachnachrichten weiter, um mögliche Beweise zu sichern.
Kritisches Denken ist auch bei Fake News, der Glaubwürdigkeit von Influencern und der Verlockung durch bewusst platzierte Werbung gefragt. Über Themen wie den angemessenen Umgangston im Netz, der falschen Annahme der Anonymität und der Weitergabe von persönlichen Daten sollte man immer wieder im Familienrat sprechen. – Ganz analog, von Mensch zu Mensch.