Kennen Sie dieses Lämpchen beim Geschirrspüler, das Sie auffordert, Regeneriersalz nachzufüllen? Sie können dieses Lämpchen getrost einige Tage ignorieren. Tun Sie dies zu lange, beginnt das Geschirr trüb zu werden, der Geschirrspüler wäscht nicht mehr richtig und früher oder später geht die Maschine kaputt. Solche oder ähnliche Lämpchen gibt es viele: Die Kaffeemaschine zeigt an, wann sie entkalkt werden will, Ihr Auto erinnert Sie an den notwendigen Ölwechsel. Bei der Benzinanzeige sollte man nicht allzu lange warten und bei machen Lämpchen sollte man den Motor besser sofort ausmachen.
Genau wie viele Maschinen Warnsignale senden, sendet auch unser Köper Signale – unsere Gefühle. Sie sind nichts anderes wie Signale oder Zeichen, die uns Hinweise geben wollen. Doch oft übersehen wir diese Signale. Wir blenden sie aus und schauen weg. Wenn wir zum Beispiel schon in der Früh müde sind und diese Müdigkeit auch tagsüber nicht vergeht, wenn wir uns schon seit Monaten zur Arbeit schleppen und wir vor lauter Erschöpfung keinen klaren Gedanken mehr fassen können, dann sollten wir überlegen, was uns unser Körper sagen möchte.
Angenehme und unangenehme Gefühle
Für Gefühle gibt es keine klare Definition. Manche sprechen von fünf oder sieben Basisgefühlen, manche von guten oder schlechten Gefühlen. Ich bevorzuge eher den Ausdruck angenehmer und unangenehmer Gefühle. Tatsache ist, dass Gefühle ein Phänomen sind, die unseren Körper und unsere Psyche gleichermaßen betreffen. Nicht umsonst gibt es unzählige Ausdrücke, die diese Verbindung beschreiben: Ich werde starr vor Angst, bekomme Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen vor Sorgen, wir können blind vor Liebe werden oder Schmetterlinge im Bauch haben.
Diese körperlichen Reaktionen kann man heute schon mit bildgebenden Untersuchungsmethoden sichtbar. Nein, es sind nicht wirklich Schmetterlinge auf dem Röntgenbild zu sehen. Allerdings kann man sehen, dass zum Beispiel bei Angst die Amygdala, das Alarmzentrum in unserem Gehirn, eine erhöhte Aktivität aufzeigt. Gefühle zu fühlen, müssen wir nicht erlernen, sie sind uns von Natur aus mitgegeben. Wir können sie nicht abtrainieren oder langfristig unterdrücken. Das macht uns krank. Aber wir können lernen, Gefühle bewusst wahrzunehmen, sie zu lesen, einzuordnen und entsprechend zu reagieren.
Gefühle wahrnehmen bedeutet nicht gleich jedem Gefühl nachzugeben
Das bedeutet nicht, dass wir jeder Gefühlsregung sofort nachgeben sollten. Wir müssen uns auch nicht permanent fragen, wie es uns geht und ob wir dieses oder jenes jetzt auch wirklich tun wollen? Jedes Lämpchen erfordert nicht sofortiges Einschreiten. Bestimmte Gefühle können getrost eine Weile ignoriert oder ausgehalten werden: Wahrnehmen, erkennen, einordnen und entscheiden. Die natürlichen Gefühlsschwankungen im Laufe eines Tages deuten ebenfalls auf keinen inneren Totalschaden hin.
Gefühle haben außerdem eine wichtige soziale Komponente. Genau wie bei einem selbst, ist es wichtig zu lernen Gefühle bei anderen wahrzunehmen, zu erkennen, einzuordnen und entsprechend zu reagieren. Gelingt uns das nicht, führt das unweigerlich zu Irritationen, Missverständnissen oder Konflikten.
Leider empfinden (Ironie) es noch immer viele Menschen als störend, wenn ihre Mitmenschen Gefühle zeigen oder sie thematisieren. Sie haben sicher schon einmal einen traurigen Film im Kino gesehen. Kaum jemand lässt hier seinen Tränen freien Lauf. Es ist verpönt uns selbst zu viele Gefühle zuzugestehen, da sie uns abhalten perfekt zu funktionieren. Vor allem unangenehme Gefühle sollen „weggehen“. Durch übermäßigen Medienkonsum, Computerspiele, Sport, Essen, Alkohol oder Arbeit gelingt dies zeitweise auch.
Der hohe Preis der Ablenkung
Diese Ablenkung hat allerdings einen hohen Preis. Wie bei jeder Sucht muss die Dosis ständig erhöht werden und man unterdrückt nicht nur die unangenehmen Gefühle, sondern stumpft auch gegenüber den angenehmen Gefühlen ab. Freude, Begeisterung oder Dankbarkeit werden ebenso betäubt wie Trauer, Wut oder Einsamkeit. Spätestens jetzt sollten wir die Warnsignale erkennen, wie bei einem Auto, bei dem auf dem Armaturenbrett alle Lämpchen gleichzeitig leuchten.
Die gute Nachricht ist, dass Sie jeden Tag beginnen können, wieder besser mit sich in Kontakt zu kommen. In uns ist alles angelegt, mit Gefühlen umzugehen. Wir können lernen, die Hinweise zu lesen. Wenn wir beginnen, uns mit uns auseinanderzusetzten kann das zu Beginn durchaus sehr unangenehm sein. Wie bei einem Wasserball, der lange unter Wasser gedrückt wird, kann dann vieles plötzlich an die Oberfläche kommen.
In unserer Serie „Gefühlskarussell“ werden wir wichtige Gefühle etwas genauer unter die Lupe nehmen. Wir werden gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen, wie ich Gefühle bei mir wahrnehmen kann, wie ich sie einordnen kann, was sie mir vielleicht sagen wollen und wie ich mit den Gefühlen meiner Mitmenschen umgehen kann. Schön, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen.