Die Heldenreise unserer Kinder

Bald ist es wieder soweit. Für viele unserer Kinder geht nicht einfach nur ein Schuljahr zu Ende, sondern der Wechsel in eine neue Schule oder sogar das Ende der Schulzeit stehen an. So wie in vielen großen Romanen oder Filmen, in denen ein Held oder eine Heldin auf Reisen geht und in unbekannte Welten aufbricht, so ergeht es unseren Kindern. Ob es der Wechsel von der Volksschule in die Mittelschule oder in das Gymnasium ist oder der Aufstieg in die Oberstufe oder der Einstieg ins Berufsleben als Lehrling, es ist eine Reise ins Ungewisse.

Was bedeutet diese Veränderung und welche Phasen durchlaufen wir, wenn wir Gewohntes verlassen (müssen)? Wie gehen wir mit diesem Schwebezustand um? Die Vorfreude auf das Neue vermischt sich mit der Traurigkeit, Altes loslassen zu müssen. Wie begleiten wir unsere Kinder hier am besten?

Wenn die Veränderung ansteht

Sie und Ihr Kind haben sich in den vergangenen Monaten nach geeigneten Schulen umgesehen, die Tage der offenen Tür besucht und Erfahrungsberichte befreundeter Familien angehört. Vielleicht haben Sie auch einen Elternabend zur Schullaufbahnberatung besucht. Am Ende haben Sie sich für eine Schule entschieden und bestenfalls wurde Ihr Kind auch an dieser Wunschschule angenommen. Die Freude ist groß.

Doch plötzlich merken Sie, wie Ihr Kind gar nicht mehr so glücklich bei dem Gedanken an die Zukunft ist. Was ist passiert? Nach der ersten Euphorie des Aufbruches, hat Ihr Kind auf seiner Heldenreise die Phase des Widerstandes, der Weigerung erreicht. Jetzt wird ihm bewusst, dass es Altes loslassen muss, um den Weg weiter gehen zu können. Das bedeutet vielleicht, dass es alte Freunde zurücklassen wird. Ganz sicher muss es die alte Schule verlassen, dieses vertraute Terrain mit all seinen Menschen, Gewohnheiten und seiner Sicherheit.

Wie können Sie Ihr Kind unterstützen?

In den großen Heldensagen ist das der Zeitpunkt, an dem der Hauptfigur ein Mentor oder eine Mentorin an die Seite gestellt wird. Dieser oder diese kann die eigenen Erfahrungen an seinen oder ihren Schützling weitergeben, kann aber auch ermutigend, unterstützend zur Seite stehen und Sicherheit geben. Den Weg muss der Held oder die Heldin aber alleine gehen.

Und genau hier liegt Ihre Aufgabe. Ihr Kind durchlebt in dieser Zeit eine Achterbahnfahrt der Gefühle zwischen Vorfreude, Trauer aufgrund des Abschiedes, Verunsicherung, Selbstzweifel. Seien Sie da für Ihr Kind, erzählen Sie ihrem Kind von Ihren eigenen Heldenreisen und nehmen Sie die Gefühle Ihres Kindes ernst. Machen Sie Ihrem Kind aber auch klar, dass Gefühle kommen und gehen und die Trauer, die es gerade erlebt, nicht ewig andauern wird. Je jünger die Kinder, desto weniger Erfahrungen haben sie im Umgang mit Gefühlen und ihren Veränderungen gemacht. Für eine Zehnjährige mag sich der Abschied von der besten Freundin und das damit verbundene Gefühl der Trauer ähnlich intensiv und endgültig anfühlen, wie der Tod eines geliebten Menschen.

Gestalten Sie das familiäre Lebensumfeld so sicher wie möglich. Gerade in Zeiten der Veränderung ist es beruhigend, wenn wir auf Gewohntes zurückgreifen können. Schauen Sie gemeinsam einen alten Kinderfilm oder eine Serie, die Sie schon hundert Mal gesehen haben. Mach Sie es sich mit Chips und Popcorn auf der Couch gemütlich. Kochen Sie das Lieblingsgericht Ihres Kindes oder machen Sie Ausflüge, die sie schon oft gemacht haben. Wenn in einem unserer Lebensbereiche große Veränderungen anstehen, ist es umso wichtiger, Stabilität in den anderen Lebensbereichen zu erfahren.

Abschiede bewusst gestalten

Wenn die Schulzeit in einem Schultyp zu Ende geht und sich die ganze Klasse auflöst, so wird meist von der Klassenlehrkraft ein gemeinsamer Abschluss geplant. Oft werden hier auch die Eltern einbezogen und können mitgestalten. Wenn man als Lehrerin oder Lehrer Kinder über vier Jahre begleitet, ist der Abschied genauso schwer, wie für die Kinder. Bei mir jedenfalls sind jedes Mal die Tränen geflossen.

Verlässt Ihr Kind während des laufenden Schuljahres eine Klasse und die Klasse besteht weiter, so liegt es an Ihnen, diesen Abschied zu arrangieren. Fragen Sie die Lehrkraft, wie ein Abschluss organisiert werden kann. Sollte es dazu keine Möglichkeit geben, so kann man dennoch in Form von Briefen und Abschiedsritualen ein symbolisches Ende gestalten.

Ein Zaubertrank für Ihr Kind

Bei Asterix und Obelix war es das große Abschiedsbankett, das diesen Aufbruch symbolisierte. Asterix bekam beim Abschied von Mirakulix immer eine Flasche mit Zaubertrank mit auf den Weg. Der Trank soll ihm Superkräfte verleihen. Was könnte das für Ihr Kind bedeuten? Welches Elixier gibt Ihrem Kind das Vertrauen an seine Superkräfte zu glauben? Ob es ein Trank, ein Elixier oder ein Glücksbringer ist, sie wirken alle auf die selbe Art. Es ist der Glaube daran, der uns stärkt.

Sie kennen Ihr Kind besser als jeder andere Mensch. Daher werde Sie gemeinsam mit Ihrem Kind herausfinden, was dieses Elixier für Ihr Kind sein kann. Das kann ein Gegenstand oder ein Glücksbringer sein, das kann aber auch ein bestimmtes Ritual sein, dass Sie gemeinsam oder Ihr Kind alleine vollzieht.

Die Veränderung in der Familie

Auf dem Weg in den neuen Lebensabschnitt wird Ihr Kind noch weitere große und kleine Prüfungen zu absolvieren haben. Dazu gehören die vielen kleinen Abschiede von bekannten Gesichtern, wie die Busfahrerin, der Schulwart oder die Schulfreundinnen und -freunde. Eine weitere Herausforderung kann die Bewältigung des neuen Schulweges und das Ankommen in der neuen Schule sein. Vielleicht steht im wahrsten Sinne des Wortes sogar noch eine Aufnahmeprüfung an.

Die vielen kleine Veränderungen werden manchmal in so kurzen Zeitabständen kommen, dass Ihr Kind gar keine Zeit hat, darüber nachzudenken. Die Integration der vielen neuen Dinge wird viel Energie brauchen und möglicherweise sehr verwirrend sein. Es werden neue Freundschaften wachsen, die wiederum Einfluss auf Ihr Kind haben.

Auch Sie werden in dieser Zeit einen Wandel vollziehen und er wird auch an Ihnen nicht spurlos vorüber gehen. Es ist ok, wenn Sie sich dadurch verunsichert fühlen. Gehen Sie mit offenen Augen und bewusst durch diese Zeit. Auch andere Menschen in Ihrem näheren Umfeld werden sich verändern und diese Veränderungen spüren, da unser aller Leben zusammenhängt.

Vermutlich Sie kennen die Zeile aus Hermann Hesses Stufengedicht: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, …“ Ich möchte heute mit ein paar anderen Zeilen aus diesem Gedicht abschließen:

„Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andre, neue Bindungen zu geben.“

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