Pädagogische Beratung
Häufig werden wir mit der Frage konfrontiert, was pädagogische Beratung von therapeutischen Maßnahmen wie die Psychotherapie unterscheidet. Man könnte auch fragen: Wo verläuft die Grenze zwischen Therapie und Pädagogik. Jeder Versuch, diese Frage einfach zu beantworten, endet mit einem – Versuch. Vertieft man sich in die Fachliteratur zu diesem Thema, befinden wir uns jedoch in guter Gesellschaft. Sanitär versus edukativ Eine grobe Erklärung kann sein: Therapie repariert. Das setzt voraus, dass etwas kaputt ist, etwas krank ist oder zumindest ein Problem besteht. Pädagogik soll zu etwas befähigen. Besteht ein Problem oder ein Mangel, dann soll Pädagogik dazu befähigen, mit diesem Mangel umzugehen, ihn anzunehmen oder ihn auszugleichen. Auch immer wieder in der Literatur zu finden sind Kombinationen der beiden Begriffe wie pädagogische Therapie oder therapeutische Pädagogik, die die Sache nicht einfacher machen. Der Keim der Wissenschaft Beginnen wir bei den Wurzeln, bei der Entstehung: Dem Wortstamm nach beschäftigte sich die Pädagogik mit der Erziehung des Kindes, also mit der Ausbildung oder Bildung des Nachwuchses. In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden die Begriffe der Erziehungswissenschaften und der Bildungswissenschaften. Dieser Schritt war notwendig, um die Wissenschaftlichkeit der Disziplinen zu unterstreichen und um die institutionelle Erziehung auf die Erkenntnisse aus anderen Disziplinen wie der Psychologie oder Neurobiologie abzustimmen. Durch die immer breiter werdende Forschung und deren Ergebnisse veränderte sich die Sicht von „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ zu einer ganzheitlichen Sicht des lebenslangen Lernens. Das hatte zur Folge, dass sich ab diesem Zeitpunkt die Pädagogik nicht mehr rein auf das Kind und seiner Erziehung einschränkte, sondern sich auf alle Altersgruppen ausdehnte. Therapie bedeutet vom Wortstamm her etwas wie „dienen“, „behandeln“ oder „pflegen“ im Zusammenhang mit einer Erkrankung. Mit Hilfe einer Therapeutin oder eines Therapeuten wird die Heilung durch verschiedene Maßnahmen gefördert und unterstützt. Herausforderungen Sowohl die Pädagogik als auch die Therapie steht im Spannungsfeld zwischen Objektivität und Subjektivität. Objektivität bedeutet, dass aus einer neutralen Position heraus bewertet und Maßnahmen gesetzt werden. Dazu sind Standards und Kriterien notwendig, die allgemeingültig festgelegt werden. So gibt es zum Beispiel in der Medizin Kriterien, anhand derer Diagnosen gestellt werden. In der Pädagogik gibt es Kriterien, anhand derer der Lernfortschritt oder Lernstand festgestellt werde kann. Sowohl in der Pädagogik als auch in der Therapie ist die Objektivität notwendig. Allerdings setzen genau hier die Kritiker an, die für beide Disziplinen zurecht einen ganzheitlichen Ansatz fordern. Der ganze Mensch soll bei der Anwendung der Kriterien im Blick behalten werden. Das ist eine große Herausforderung. Dazu kommt, dass es für eine Therapeutin oder einen Therapeuten aber auch für eine Pädagogin oder einen Pädagogen unmöglich ist, frei von allen Einflüssen zu handeln. Denkt man im Kontext der Schule, so sieht hier die Pädagogik das Kind als Ganzes, sondern meist „nur“ die Schülerin oder den Schüler, der dem Lehrplan folgend ihr oder sein Wissen erweitern soll. Viel zu wenig werden Aspekte wie die Persönlichkeit oder die Biografie des Menschen berücksichtigt. Genauso gibt es therapeutische Behandlungsmethoden, die die Erkrankung oder das Problem in den Focus stellen und nicht den Menschen. In beiden Disziplinen sind Interaktionen erfolgsversprechender, wenn zwischen den handelnden Personen Beziehung möglich ist. Das Beste aus zwei Welten Die Psychologin und Psychoanalytikerin Ruth Cohn entwickelte in den 1950er Jahren zusammen mit weiteren Therapeuten das Konzept der Themenzentrierten Interaktion, kurz TZI, deren Grundgedanke ist, einen gesunden Menschen dazu zu befähigen, sich selbst gesund zu erhalten. Die Psychoedukation, also das Verstehen der eigenen Krankheit, ist ein wesentlicher Teil erfolgreicher Therapien. Gerade bei psychischen Erkrankungen, zum Beispiel Angststörungen, kann Psychoedukation ein wichtiger Teil der Therapie sein. Ernst J. Kiphard, Clown, Artist und Sportpädagoge vereinte therapeutische und pädagogische Bewegungskonzepte zur Psychomotorik. An der Klinik für Jugendpsychiatrie in Gütersloh legte er einen Grundstein zur Förderung beeinträchtigter Kinder und Jugendlicher durch therapeutische Bewegungsangebote. Begriffe wie ressourcenorientiertes Arbeiten, Resilienzförderung oder traumasensibles Arbeiten spiele vor allem in der Prävention von Traumata, psychischen Belastungen und Mobbing- und Gewaltprävention eine große Rolle. So gibt es viele weitere Modelle und Konzepte, die das Beste aus beiden Welten nutzen. Und das ist gut so. In der Anwendung ist allerdings Achtsamkeit geboten. Hier gilt es seine eigenen disziplinären Grenzen zu kennen. Wir arbeiten als Pädagoginnen. Wir unterstützen und begleiten Menschen auf ihrem ganz persönlichen Weg.