Besser scheitern
Wieder versuchen.Wieder scheitern.Besser scheitern. (Simon Becket) Erlaube dir Fehler zu machen, erlaube dir zu scheitern, erlaube dir aufzuhören, perfekt zu sein.
Wieder versuchen.Wieder scheitern.Besser scheitern. (Simon Becket) Erlaube dir Fehler zu machen, erlaube dir zu scheitern, erlaube dir aufzuhören, perfekt zu sein.
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben…“ Diese Zeilen aus einem der bekanntesten Gedichte von Hermann Hesse („Stufen“, 1941) sind mittlerweile in unsere Alltagssprache eingegangen. Wie konnte das gelingen? Unser Leben ist geprägt von unzähligen Neuanfängen und Abschieden. Wie tröstlich und zugleich stärkend wirken da Hesses Worte, der uns beschreibt, wie schützend der Zauber alles Neuem für uns Menschen sein kann. Wir alle kennen die gute, hoffnungsfrohe Energie, den Mut, wenn wir uns voller Elan in eine neue Aufgabe stürzen. Jetzt, Anfang September, steht vielen Menschen ein Neuanfang bevor: ein neues Schuljahr startet, ein Schulwechsel steht vielleicht an, möglicherweise werden die ersten Schritte ins Arbeitsleben gegangen oder ein Studium wird begonnen. Wenn auch kein neues Kalenderjahr, so beginnt für viele von uns im Herbst ein neues Arbeitsjahr. Wir spüren einen Sommer, der sich verabschiedet. Für manche vielleicht ein Abschied von Unbeschwertheit und Leichtigkeit, für andere der Abschied von einfach viel zu heiße Tagen. Gerade nach diesem Sommer der Unwetter und Überschwemmungen verlangt es nun manchmal nach einem Neuanfang, wenn Verwüstungen durch Unwetterkatastrophen das eigenen Leben vollkommen auf den Kopf gestellt haben. Denn Neuanfänge und Abschiede sind nicht immer selbst gewählt. Manche werden uns vom Leben auferlegt, von außen an uns herangetragen, wie etwa Krankheit, Tod, Trennung, Jobverlust. Andere Neubeginne wählen wir selber: eine neue Beziehung, berufliche Umorientierung, einen neuen Wohnort, … Ein Neuanfang ist eine Zäsur im Leben, die den Alltag komplett verändert. Ob dieser Neubeginn nun selbst gewählt ist oder von außen an uns herangetragen wurde, Mut und Aufgeschlossenheit für das Neue benötigen wir auf jeden Fall, ebenso ein „starkes Herz“, um den Schmerz des Abschiedes von Altem und Vertrautem zu überwinden. So tut Hesses Gedicht unserer Seele gut, da es uns Zuversicht schenkt, Altes hinter uns zu lassen und mutig Neuem gegenüber zu treten. Viel Spaß beim Lesen von: Stufen Wie jede Blüte welkt und jede Jugenddem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,blüht jede Weisheit auch und jede Tugendzu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.Es muss das Herz bei jedem Lebensrufebereit zum Abschied sein und Neubeginne,um sich in Tapferkeit und ohne Trauernin andre, neue Bindungen zu geben.Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,an keinem wie an einer Heimat hängen,der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreiseund traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Es wird vielleicht auch noch die Todesstundeuns neuen Räumen jung entgegen senden,des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde! Hermann Hesse (1941)
Scham ist das unangenehmste aller Gefühle. Wir versuchen sie zu vermeiden, wann auch immer es nur geht. Es ist das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, fehl am Platz zu sein oder nicht dazuzugehören. Scham löst starke körperliche Reaktionen wie erröten aus. Sprichwörtlich möchte man „im Boden versinken“, wenn man sich schämt. Entwicklung der Scham Schamgefühl entwickelt sich rund um den dritten Geburtstag. Studien konnten nicht nachweisen, dass sich Mädchen häufiger oder früher schämen als Buben. Scham entwickelt sich jedoch individuell verschieden, je nach kultureller Zugehörigkeit und Geschlechtsidentität. Durch Erziehung und Bildung wird Scham transgenerational weitergegeben. Anfänglich entwickelt sich die sogenannte Selbstscham. Kinder möchten nicht mehr ungefragt an allen Körperstellen berührt werden, möchten alleine zur Toilette gehen oder ziehen sich zurück, wenn sie in die Windel machen. Sie möchten nicht mehr, dass ihnen beim Anziehen geholfen wird. Fremden gegenüber zeigen sie sich vermehrt schüchtern. Wenn Kinder lernen, sich auch in andere Menschen hineinzuversetzen, entsteht situative Scham. Sie schämen sich, wenn sie etwas sehen oder miterleben, was ihnen unangenehm ist. So kann es plötzlich peinlich sein, wenn sich die Eltern küssen oder wenn sie ins Badezimmer gehen und ein Familienmitglied nackt sehen. An der Reaktion des Umfeldes lernt ein Kind zu erkennen, ob eine Situation angemessen oder unangemessen ist. Im familiären Umfeld lernen Kinder, was wann angemessen oder unangemessen ist. So kann es im engen Familienkreis toleriert werden, wenn man in Unterwäsche durchs Haus geht. Wenn jedoch Besuch im Haus ist, wird dies als unpassend vermittelt. Eltern sollten hier Einigkeit zeigen und Unterschiede mit dem Kind besprechen. Scham, Schuld und Schande Scham, Schuld und Schande werden häufig gleichgesetzt und missverständlich verwendet. Scham ist ein gesundes Gefühl, wenn man so will ein Seismograf, der uns anzeigt, in welche Richtung wir uns moralisch entwickeln. Ein Kind, das etwas stielt und dabei erwischt wird, kann Scham empfinden. Es kann nun daraus lernen, dass Diebstahl nicht richtig ist und so diese Erkenntnis zur eigenen moralischen Entwicklung nutzen. Schuld ist explizit auf eine falsche Tat bezogen und kann wie finanzielle Schuld wieder ausgeglichen werden. Das Kind kann das gestohlene Gut wieder zurückgeben und vielleicht dazu eine Wiedergutmachung anbieten. Schande hingegen ist ein Makel, der nur durch die Wiederherstellung der Ehre ausgeglichen werden kann. Dies geschieht in den unterschiedlichen Kulturen jeweils auf unterschiedliche aber meist grausame Art und Weise. Beschämung ist die ungesunde Schwester der Scham. Beschämung findet immer von außen statt. Beschämung ist ein Machtinstrument und kann traumatisierend wirken. Wenn Beschämung überwältigend ist, kann sie uns wie ein Schock überflutet. Körperlich treten dieselben Reaktionen auf: Unser Gehirn schaltet auf Notbetrieb um und wir können nur mehr kämpfen, fliehen oder erstarren. „Was ist dir das Menschlichste? Dir Scham zu ersparen.“ – meinte einst Friedrich Nietzsche. Hier kann ich ihm nicht uneingeschränkt zustimmen. Man kann keinem Menschen Scham ersparen. Es ist auch gar nicht notwendig, da Scham enorme Entwicklungsimpulse setzten kann. Wir lernen aus unseren Fehlern. Dazu gehört auch, die daraus resultierenden unangenehmen Gefühle auszuhalten und erfolgreich zu überwinden. Nur dann wenn ich aus dieser unangenehmen Erfahrung Wissen generiere, habe ich tatsächlich gelernt. Wir sind jedoch dazu verpflichtet unsere Kinder nicht zu beschämen. Damit würden wir nämlich das Gegenteil bewirken. Sie entwickeln Angst vor Fehlern, Angst etwas falsch zu machen, sich fehl am Platz zu fühlen, sich falsch zu fühlen. Diese Angst verhindert eine gesunde Entwicklung. Die Schamforschung unterscheidet vier wesentliche Auslöser für Scham. Schauen wir uns diese einzeln an und erforschen wir gemeinsam den schmalen Pfad zwischen Beschämung und der Nutzung des Entwicklungsimpulses, der eine Situation bietet. Ich möchte geachtet werden, auch wenn ich Fehler mache. Eines unserer Grundbedürfnisse ist Anerkennung. Wir wollen gesehen werden und Wertschätzung erfahren. Bei Kindern, die vor allem in einer sehr frühen Lebensphase keine Nähe und Beachtung erfahren haben, weil ihre Eltern vielleicht nicht dazu in der Lage waren oder pathogene Erziehungspraktiken angewandt haben, konnte nachgewiesen werden, dass das Wachstum bestimmter Gehirnregionen gehemmt wurde. Menschen Anerkennung zu verweigern ist ein altes Machtinstrument. Einem Menschen Scham zu ersparen bedeutet, ihn anzuerkennen, ihn zu sehen, auch wenn er Fehler macht. Das bedeutet nicht, jede Regung übermäßig und unkritisch fantastisch zu finden. Leider wird der Entzug von Anerkennung in der Erziehung oft als Machtmittel eingesetzt. Dabei verspielt die Bezugsperson genau in diesem Moment das Entwicklungspotential der Situation. Kommen wir noch einmal auf das Kind zurück, das etwas gestohlen hat. Wird das Kind durch Missachtung bestraft, wird es in der Situation alleine gelassen. Es wird nicht in der Lage sein, daraus zu lernen. Möglicherweise wird es sich selbst als Opfer sehen und weitere Taten begehen, um endlich Anerkennung zu erlangen. Vielleicht erlangt das Kind von den falschen Menschen Anerkennung, weil es gestohlen hat. Geht man aber in den Dialog mit dem Kind, so kann sich das Kind die Erkenntnis erlangen, das stehlen falsch ist. Es kann sich entschuldigen und eine Wiedergutmachung anstreben. Die Würde des Kindes bleibt erhalten, die Beziehung wird nicht verletzt. „Gib dem Onkel ein Küsschen!“ Wenn körperliche oder seelische Grenzen verletzt werden, verspüren wir ein hohes Maß an Schamgefühl. Wenn öffentlich wird, was privat wird, wenn man in verletzlichen Situationen schutzlos ausgeliefert ist. Hierzu würden mit unzählige Beispiele einfallen. Die unzumutbaren Zustände in der Pflege, die sexistischen Übergriffe in Sport oder Politik, der Machtmissbrauch in vielen Unternehmen, um nur einige zu nennen. Wie werden Kinder aufgrund von Grenzverletzungen beschämt? In der Familie sind wir verpflichtet, Kindern einen geschützten Raum zu bieten und ihre Privatsphäre zu wahren. Das beginnt damit, dass wir Kinder nicht ungefragt an allen Körperstellen berühren, wir wahren ihre Grenzen und ihr Bedürfnis nach Rückzug. Wir unterstützen unsere Kinder, wenn sie lernen „Nein“ zu sagen. Missachten wir diese Grenzen, so lernt das Kind, dass es nicht wichtig ist, Grenzen anderer zu achten. Oder noch schlimmer, es lernt, nicht auf die eigenen Grenzen zu achten. So wird es ein leichtes Opfer für Missbrauch und Gewalt. Dazugehören – Um jeden Preis? Evolutionsbiologisch war es für Menschen immer wichtig, zu einer Gruppe dazuzugehören. Wir waren nie Einzelgänger, wir waren immer aufeinander angewiesen, nur so konnten wir überleben. Daher ist Zugehörigkeit eines unserer wesentlichen
AFFIRMATIONEN Ich glaube an mich und meine Fähigkeiten. Ich bin es wert geliebt zu werden. Ich bin gesund, glücklich und strahle. IFIRMATION „Was ist, wenn ich DOCH an mich und meine Fähigkeiten glaube?“ „Was ist, wenn ich es DOCH wert bin, geliebt zu werden?“ „Was ist, wenn ich DOCH gesund und glücklich bin, und strahle?“ 🙂
Trauer empfinden wir dann, wenn wir etwas verlieren. Es kann der Verlust eines Arbeitsplatzes sein, der Abschied nach der gemeinsamen Schulzeit oder auch das Ende einer Beziehung. Besonders starke Trauer spüren wir nach dem Tod eines geliebten Menschen. Dabei betrauern wir den Verlust der gemeinsamen Zukunft mit diesen Menschen. Meine erste intensive Erinnerung an Trauer war als mein Großvater starb. Ich war zehn Jahre alt. Es ging ihm seit einigen Wochen nicht besonders gut und ich war dabei, als er von einem Krankenwagen abgeholt wurde. Ich wollte ihn zum Abschied umarmen. „Das nächste Mal, wenn es mir wieder besser geht.“, meinte er und die Sanitäter schoben die Trage in den Krankenwagen. Eine Woche später läutete um zwei Uhr nachts das Telefon. Er war gestorben. Zur Beerdigung durften wir Kinder nicht mit. Erst einige Wochen später besuchten wir sein Grab mit dem Holzkreuz. Geredet wurde nicht viel. Ich spürte die Trauer meiner Mutter und meiner Großmutter, doch jedes Mal, wenn wir Kinder uns ihnen zuwandten, trockneten sie ihre Tränen und versuchten zu lächeln. Der Tod und das Leben Seit vielen Jahrtausenden gestaltet der Mensch den Abschied der Verstorbenen. In allen Kulturen und Religionen finden sich feste Bräuche zu Sterben und Tod. Sie helfen uns durch die Trauer, wenn wir den Boden unter den Füßen verlieren. Durch die aufgeklärte Welt und die Entfernung von Religionen haben wir jedoch ein Stück weit diese Rituale und damit diesen Halt verloren. Beim Tod eines nahen Angehörigen bekommt man 3-4 Tage Sonderurlaub, um die Angelegenheiten rund um die Beerdigung abzuwickeln. Danach hat man zu funktionieren. Wer länger Zeit braucht muss sich krankschreiben lassen. Man erhält Kondolenzkarten, sollte aber möglichst niemanden mit seiner Trauer belästigen. Bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts war der Tod im Alltag viel gegenwärtiger. Die Erinnerungen an die Weltkriege waren frisch. Jede Familie hatte mindestens einen geliebten Menschen verloren. Die Kindersterblichkeit war noch höher und man starb an Krankheiten, die heute leicht zu heilen sind. Der Tod wurde weniger als Einzelschicksal, sondern mehr als Teil des Lebens wahrgenommen. Heute verdrängen wir den Tod immer mehr aus unserem Leben und lassen ihn doch täglich medial in unsere Wohnzimmer. Durch Krimis, Videospiele und die grausamsten Nachrichten haben wir den Tod permanent vor Augen und doch berührt uns dieser Tod nicht. Sterbende Menschen werden in Heime und Krankenhäuser verbannt. Wie lernen Kinder mit Trauer umzugehen? Wie bei allen Gefühlen sind wir die Vorbilder für unsere Kinder. Verdrängen wir Trauer, sprechen nicht darüber, schließen Kinder davon aus, so lernen sie nicht damit umzugehen. Wir denken, so können wir unsere Kinder davor schützen. Doch in Wirklichkeit lassen wir sie mit ihrer Trauer alleine. Auch daher gesagte Floskeln wie: „Seit nicht traurig.“ oder „Die Zeit heilt alle Wunden.“ sind nicht hilfreich. Erleben wir Tod und Trauer in der Familie, sollten wir dem Alter der Kinder entsprechend damit umgehen. Anstatt dieses Gefühl zu verharmlosen, durch gekünstelte Fröhlichkeit zu überspielen oder durch Ablenkungsversuche zu betäuben, sollten wir gemeinsam mit unseren Kindern dieses Gefühl wahrnehmen und benennen: „Ich bin traurig, weil Opa gestorben ist.“ Ich persönlich finde Ausdrücke wie „Opa ist eingeschlafen.“ Oder „Opa ist von uns gegangen.“ eher unpassend. Es kann sein, dass Ihr Kind dann denkt, dass es auch im Schlaf sterben kann oder die Folgefrage auftaucht: „Wohin ist Opa denn gegangen?“ Wenn ihr Kind sagt, dass es traurig ist, können Sie mit Fragen wie „Wo spürst du diese Traurigkeit?“, „Hat deine Traurigkeit eine Farbe?“ Trauer etwas „begreifbarer“ machen. Auch andere Gefühle, die in Zeiten der Trauer auftauchen, sollte man benennen. Lassen wir Trauer zu, ermöglicht es uns zu spüren, dass diese Traurigkeit nachlassen kann. Auch dieses Nachlassen können wir gemeinsam bewusst erleben. Das gibt uns beim nächsten Mal die Gewissheit, dass wir dieses Gefühl aushalten können und dass es wieder leichter werden wird. Was sagt die Wissenschaft? Wer sich mit Tod und Trauer zu beschäftigen beginnt, kommt nicht um den Namen Elisabeth Kübler-Ross herum. In den 70er Jahren hat die Psychologin die „Fünf Phasen der Trauer“ entwickelt. Sie griff eine Idee Sigmund Freuds auf, wonach man durch „Trauerarbeit“ und einer systematischen Behandlung von Trauersymptomen Trauer rasch überwinden kann. Je schneller, desto besser. Wer zu lange trauere, dem wurde krankhafte Trauer attestiert. Vor etwa 30 Jahren schlug die Wissenschaft andere Wege ein. Die neueren Trauermodelle beschäftigen sich auf der einen Seite mit der Verarbeitung des Verlustes, dem Abschied nehmen, dem nach innen gerichteten Gefühlen, der Verleugnung und auf der anderen Seite mit der Neuausrichtung, der Orientierung in einem Leben ohne der verstorbenen Person und der Akzeptanz. Dabei geht es nicht mehr darum in vorgegebener Reihenfolge bestimmte Phasen zu durchlaufen, sondern mehr um ein Hin- und Herpendeln zwischen Phasen der tiefen Trauer und ihren Begleiterscheinungen und den dem neuen Leben zugewandten Phasen von Normalität bis Freude. Ein neunjähriges Mädchen, dessen kleiner Bruder vor einigen Monaten verstoreben war, berichtete mir in meiner Praxis: „Ich bin so gerne mit Julia befreundet, denn sie versteht mich. Auch ihr kleiner Bruder ist gestorben und sie weiß, dass man manchmal ganz traurig ist aber dann auch wieder ganz glücklich sein kann.“ Was beeinflusst, wie wir trauern? Wie nahe stand uns die verstorbene Person? Unter welchen Umständen ist sie gestorben? Wie alt war sie? Wie haben wir Tod und Trauer in unserer Familie erlebt? Wie sehr war sie mit meiner Lebenswelt verbunden? Diese und viele andere Fragen beeinflussen unsere Trauer. So kann uns der Tod eines Sportidols genauso zu Tränen rühren, wie der Unfalltod eines Teenagers, den wir kaum kannten. Was wir persönlich als hilfreich empfinden, können wir als Trauernde nur selbst beantworten. Wichtig zu wissen ist, dass bei Trauer keine Rezepte helfen und dass es keine zeitliche Abfolge der Verarbeitung gibt. Als mein Vater in einem Pflegeheim war, spazierte meine Mutter ein bis zwei Mal täglich dahin, um ihn zu besuchen. Es war jeweils ein Spaziergang von etwa 20 Minuten. Als er starb spazierte sie für einige Wochen weiterhin täglich diesen Weg. Jedes Jahr zu seinem Geburtstag treffen wir uns an seinem Grab und gehen hinterher gemeinsam ein Bier trinken. Durch solche Rituale fühlen wir
„Ich bin glücklich“, „ich bin reich“, „ich bin schön“… …und wenn ich das oft genug sage, stimmt´s? Geht das wirklich so einfach, nur regelmäßig vorsagen, und alle Wünsche gehen in Erfüllung? Ist das nicht total unglaubwürdig oder handelt es sich hier gar um eine gefährliche Manipulationsstrategie? Von was rede ich da eigentlich? Meine Sommergedanken drehen sich heute um Affirmationen. Was Affirmationen sind, warum es Sinn machen kann, sie anzuwenden, oder ob sie nicht einfach lächerlich oder gar gefährlich und manipulativ sind, diesen Fragen möchte ich heute nachgehen. Was also sind Affirmationen? Der Begriff Affirmation kommt aus dem Lateinischen für Bejahung, Versicherung. Affirmationen sind bewusst positiv formulierte Gedanken, um einer Aussage, einer Situation oder einer Handlung eine positive Zuordnung zu geben. Sie dienen dazu, das Unterbewusstsein mit neuen Informationen zu versorgen. Festgefahrene und entmutigende Gedanken-, Gefühls- und Handlungsmuster sollen durch befreiende, positive und inspirierende ersetzt werden. Dahinter steht die Annahme, dass unsere Gedanken nicht nur unser Handeln und Fühlen beeinflussen, sondern auch biologische und chemische Vorgänge in unserem Körper steuern. Jeder Mensch trägt unbewusste oder bewusste Glaubenssätze in sich. Diese werden meist so früh im Leben geprägt, dass sie für uns selbstverständlich geworden sind und uns aus dem Unbewusstsein heraus in unserem alltäglichen Tun und Denken beeinflussen. Glaubenssätze sind unsere persönlichen „Wahrheiten“ und spiegeln unsere Wahrnehmung von uns selbst und der Welt wider. Geprägt sind diese von unseren Erlebnissen und Erfahrungen oder von anderen Menschen. Sie dienen dazu, dass wir die Welt als überschaubarer und kontrollierbarer wahrnehmen und finden sich in allen Lebensbereichen wieder. Affirmation hat viel mit Visualisierung zu tun. Dadurch, dass ein Ziel in Gedanken formuliert wird, kann es besser vor Augen geführt werden, es wirkt dadurch greifbarer. Der Glaube daran, gesetzte Ziele verwirklichen zu können, wird gestärkt. Wie kann das funktionieren? Unser Kopf ist niemals leer. Täglich sausen durchschnittlich 50.000 Gedanken durch unseren Denkapparat. Viele davon sind an uns selbst gerichtet: optimistisch, kritisch, demütigend, ermutigend, zweifelnd, bestärkend, beschuldigend oder auch befreiend. Sprunghaft kreisen sie um unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Unsere Persönlichkeit, welche durch die verschiedensten Einflüsse unserer Kindheit geprägt wurde, steht für Ansichten und Überzeugungen, die wir in unserem Leben erworben haben. Diese münden in meist unbewusste Gedanken und Glaubenssätzen und beeinflussen dadurch stetig unser Leben. Tatsächlich stimmen diese Glaubensätze und Gedanken nicht immer mit der Wirklichkeit überein. Den kindlichen Erfahrungen, denen viele dieser Glaubenssätze zugrunde liegen, stammen von einer kindlich-unerfahrenen Interpretation der Umwelt. Dennoch prägen und bewerten sie unsere Gedanken, Gefühle und unser Verhalten maßgeblich. Als erwachsene Menschen können wir uns bewusst und sachlich mit unseren Glaubenssätzen auseinandersetzen und den einen oder anderen verwerfen und durch angemessene ersetzen. Mit Hilfe von Affirmationen ist es also möglich, innere Blockaden und antrainierte, anerzogenen Beschränkungen aufzuheben. Affirmationen im Alltag anwenden Affirmationensind demnach ein psychologisches Werkzeug, um eigene Gedanken und eigenes Verhalten auf positiv formulierte Ziele hin zu verändern. Über einen längeren Zeitraum werden, auf das eigene Leben abgestimmte Formulierungen ausgewählt und ritualisiert wiederholt ausgesprochen oder zB. in ein Tagebuch geschrieben. Die drei Säulen, auf denen Affirmationen ruhen sollten, sind: Wie gehe ich also am besten vor? (z. B.: wenn der Glaubenssatz „nur harte Arbeit zählt“ erlernt wurde, kann die Formulierung ‚Erfolg kann ich auch leicht erreichen‘, Entlastung bringen.) Affirmationen kann man laut aussprechen oder sich nur denken, denn Gedanken sind der Schlüssel, um sich das eigene Wohlbefinden zu „erlauben“. Am einfachsten können Affirmationen in tägliche Morgen- oder Abendrituale, z. B. beim Zähneputzen, in den Alltag integriert werden. Da man hier ohnehin vor einem Spiegel steht eignen sich diese Situationen, um zu sich selbst zu sprechen, sich in die Augen zu sehen und die persönliche Affirmation zu denken oder zu sprechen. Es finden sich zahlreiche Bücher und websites im Internet, die „fertige“ Affirmationen anbieten. Um eigenen, positive Formulierungen zu finden, ist es wichtig, folgendes dabei zu beachten: Unglaubwürdig… Manchmal jedoch fühlen sich Affirmationen nicht stimmig oder unglaubwürdig an. Von der eigenen inneren Stimme wird man praktisch ausgelacht, sie sagt „glaub ich dir nicht“. In diesem Fall hilft es, sich IFIRMATIONEN vorzusagen. Was sind IFirmationen? Bei IFirmationen, abgeleitet von dem englischen Wort „IF“, also „WENN, FALLS“, handelt es sich, laut der Psychotherapeutin und Podcasterin Franca Cerrutti, um „Was ist, WENN doch“-Formulierungen. Diese Formulierung „was ist, wenn doch…“, kann helfen, wenn die innere kritische Stimme sehr stark ist und die eigenen Affirmationen „verspottet“ und nicht ernst nimmt. Beispielweise könnte die innere Stimme die Affirmation „ich bin kompetent“/ „ich bin gut genug“ passend zum Glaubenssatz „ich bin zu dumm“, verspotten. Um das Selbstwertgefühl zu stärken und den inneren Kritiker zum Schweigen zu bringen könnte die IFirmation „was ist, wenn ich doch gut genug bin?“, „was ist, wenn ich doch liebenswert bin, genauso wie ich bin?“ hilfreich sein. Die IFirmation hilft dabei, der inneren kritischen Stimme die Macht zu nehmen, indem man die Möglichkeit benennt, DOCH gut/schön/kompetent/erfolgreich genug, … sein KÖNNTE. Dies entmachtet automatisch die eigenen kritischen Anteile und fühlt sich dadurch viel glaubwürdiger an. Viel Spaß beim Ausprobieren! 😉
„Ich koche vor Wut!“ – „… dann rastet er komplett aus.“ – „… dann ist sie von Null auf Hundert in wenigen Sekunden.“ Schon die Wörter in diesen Redewendungen beschreiben, was in uns vorgeht, wenn uns die Wut packt. Und auch diese Aussage „mich packt die Wut“ lässt die scheinbare Ohnmacht erahnen, die uns in so einer Situation zu beherrschen scheint. Doch ist es wirklich Ohnmacht? Können wir gar nichts tun, wenn wir wütend werden? Wie geht es unseren Kindern, wenn sie wütend werden? Darf ich wütend sein? Gesellschaftlich ist Wut wenig akzeptiert und wenn, dann eher bei Männern als bei Frauen. Wenn ein Mann seiner Wut freien Lauf lässt, gilt er eher als leidenschaftlich. Eine wütende Frau wird schnell als hysterisch abgestempelt. Das manifestiert sich schon im Kindesalter. Bei Buben toleriert man Wutausbrüche wesentlich öfter als bei Mädchen. Dies soll kein Artikel über genderneutrale Erziehung werden, daher werde ich noch ein paar Schritte zurückgehen. Jede und jeder von uns hat schon Wut verspürt und vermutlich auch schon den einen oder anderen Wutausbruch selbst erlebt. Was aber passiert in uns, wenn wir wütend werden? Warum eskalieren manche Menschen schneller und was können wir dagegen tun? Wut ist ein Gefühl, das in uns entsteht wie Trauer oder Angst. Der Umgang mit unseren Gefühlen will genauso gelernt sein, wie viele andere unserer Fähigkeiten. Gefühle erkennen, benennen können und angemessen darauf zu reagieren. Das heißt, wir müssen darüber reden und uns selbst aus einer anderen Perspektive betrachten lernen. Das funktioniert allerdings nur, wenn wir nicht gerade in dieser Emotion stecken. Selten fühlen wir nur ein Gefühl, meist ist es ein Zusammenspiel mehrerer Gefühle und wir springen zwischen den Gefühlen hin und her. Die Übergänge sind fließend. Gefühle und Bedürfnisse sind eng miteinander verknüpft Dazu kommt, dass unsere Gefühle stark mit unseren Bedürfnissen zusammenhängen. Ich weiß zum Beispiel, dass ich besonders dünnhäutig werde, wenn ich müde oder hungrig bin. Das heißt, wenn eines oder mehrere meiner physischen Grundbedürfnisse zu lange unbeachtet bleiben. Dann kann es schon sein, dass ich auf Belangloses gereizt reagiere. Manchmal sind es auch wirklich banale Dinge, die sich dann als wahre Wut Trigger herausstellen. Bei Kinder sind das besonders Erfahrungen wie Ablehnung, entgegengebrachtes Unverständnis oder nicht erfüllte Erwartungen, die das Gefühl von Wut auslösen. Manche Kinder reagieren mit Trauer. Sie weinen, erzählen schluchzend was sie verletzt hat, und man kann sie trösten. Reagiert ein Kind aber mit Wut und schleudert verärgert ein Spielzeug durch den Raum, kann es weniger mit unserer Unterstützung rechnen. Wenn Wut in aggressives Verhalten umschlägt, erfährt das Kind häufig noch mehr Ablehnung oder Unverständnis. Die Abwärtsspirale beginnt sich zu drehen. Wie aber kann man diese Spirale durchbrechen oder verhindern, dass es so weit kommt? Die Energie, die durch Wut freigesetzt wird, ist an sich wichtig. Sie bringt und ins Handeln. Wir möchten etwas an der Situation ändern. Erst wenn wir merken, dass unsere Bemühungen nicht zielführend sind, steigt die Frustration. Natürlich wissen wir, dass zum Beispiel unser Fluchen im Auto den Lenker vor uns nicht schneller macht, doch erhoffen wir uns emotionale Entlastung, wenn wir laut werden und auf unser Lenkrad boxen. Ein Kind kann dies in einer belastenden Situation nicht analysieren. Daher müssen wir aufmerksam sein und den Augenblick erkennen, bevor die Frustration zu groß wird. Es ist wichtig, dem Kind zu signalisieren: Ich bin für dich da. Du bist mir wichtig. Ich helfe dir, durch eigene Kraft aus der Situation herauszukommen. Haltung und Handlungskompetenz Durch diese Haltung lernt das Kind die eigene Frustrationstoleranz zu steigern und die Energie der Wut produktiv umzusetzen. Es hat sich als kontraproduktiv herausgestellt, wenn man wütenden Kindern (aber auch Erwachsenen) die Möglichkeit gibt, sich abzureagieren. Schreien, wütend auf einen Boxsack einschlage usw. erschöpfen das Kind zwar körperlich, es ändert aber nichts am Umgang mit Wut und Frustration. Welche Handlungsalternativen gibt es? Man kann schon sehr früh damit beginnen, über Gefühle zu sprechen und Kindern helfen, die Signale des Körpers zu erkennen und zu benennen. Was passiert in deinem Körper, wenn du dich freust? Wie verändert sich dein Gesicht? Wo spürst du die Freude noch? Usw. Genauso können wir mit den anderen Basisemotionen wie Angst, Trauer, Wut und Scham verfahren. Dazu bieten sich neben Gesprächen auch Rollenspiele oder Spiele mit Handpuppen an. Außerdem kann man den Kindern auch helfen zu erkennen, auf welche Wut Trigger sie besonders stark reagieren. „Wenn die Lehrerin meinen Namen falsch ausspricht.“ oder „Wenn mein Banknachbar ungefragt meine Stifte nimmt.“ Wut ist stark und hilfreich für Veränderung Eine Abstufung anhand einer Wut Skala kann dem Kind auch helfen, mit dem Gefühl umgehen zu lernen. Angelehnt an die Metapher „… von Null auf Hundert …“ könnte man eine Skala von Null bis Hundert nutzen, um im Gespräch mit dem Kind die verschiedenen Situationen zu klassifizieren. Und man kann anhand dieser Skala auch Strategien entwickeln, aus der Wut rauszukommen. Bis zu welchem Punkt kann man noch vernünftig reden? Ab wann braucht man erst Abstand, um abzukühlen? Wut ist ein wichtiges und starkes Gefühl. Sie zu unterdrücken hilft uns nicht. Die Kraft der Wut sinnvoll zu nutzen, um Änderungen zu erwirken, so können wir die Wut zu einem hilfreichen Gefühl machen.
Wir lernen miteinander. Wir lernen voneinander. Wir wachsen aneinander. Gemeinsam wachsen.
Ich sollte morgens geschwind vor der Arbeit noch 20 Minuten Yoga machen, davor müsste ich ganz schnell noch die Waschmaschine einschalten, um die Zeit optimal zu nützen, anschließend muss ich in die Arbeit und danach sollte der Hund möglichst schnell Gassi gehen. Ah ja, einkaufen und staubsaugen muss ich auch noch (schnell), geht ja eh flott… Und abends noch eine Runde Sport, fotografisch festgehalten und likebar auf Snapchat und Insta,… Wem kommt das bekannt vor? Unser Alltag ist oft ganz stark geprägt vom MÜSSEN und SOLLEN. Bleibt hier unser KÖNNEN und vor allem unser WOLLEN nicht völlig auf der Strecke? Wieso lassen wir uns drängen und hetzen, von all den Dingen, die es zu erledigen gibt, bzw. von denen wir glauben, sie erledigen zu müssen? Weshalb geben wir der Stimme in unserem Kopf, die ja „nur unser Bestes will“, die uns unermüdlich auf die Nase bindet „vergib keine Chance in deinem Leben, du hast nur das eine“ und uns zur Selbstoptimierung drängt, so viel Macht? Denn solange ich MUSS und SOLL, ist egal was ich WILL. Solange ich muss, muss ich endlich mal etwas nicht: WOLLEN. Denn Wollen ist unbequem. Ehrlich. Authentisch. Wollen kommt von mir. Und nur von mir. Es zeigt wer ich bin, wer ich sein möchte, mein Innerstes. Vergessen wir vor lauter verkopftem und irrationalem MÜSSEN und SOLLEN die andere Seite in uns? Blenden wir bei diesem inneren Konflikt die Intuition und die Leidenschaft die wir spüren, wenn wir etwas machen oder erleben DÜRFEN oder WOLLEN, einfach aus? Tja, wahrscheinlich findet sich so schnell keine allgemein gültige Antwort auf diese Fragen. Möglicherweise darf sich jeder Mensch sein persönliches Bild vom eigenen Leben kreieren – wenn er WILL… 😉 Bereits der griechische Philosoph Platon hat sich vor über 200 Jahren mit der Frage des inneren Konflikts zwischen MÜSSEN und WOLLEN beschäftigt. Er hat zur Erklärung dieser inneren Zerrissenheit die Metapher eines Streitwagens mit zwei Pferden gewählt. Das eine Pferd stellt die Leidenschaft, den inneren Drang, dar. Das andere Pferd symbolisiert die Ratio, den moralischen Verstand. Platons Erkenntnis bestand darin, wahrzunehmen, dass wir oft von dem, was wir tun müssen oder sollen, also von dem rationalen Pferd in die eine Richtung gezogen werden. Das leidenschaftlichen Pferd hingegen, also unser Wollen und unser innerer Drang, lenkt uns in die andere Richtung. Als „Wagenlenker unseres Lebens“ haben wir nun die Aufgabe, beide Pferde so zu zähmen und anzuleiten, dass sie uns gemeinsam dorthin führen, wo wir hinfahren wollen. Abschließend noch ein paar Gedanken für den Sommer, die ich noch unbedingt mitgeben möchte: Für wen lebe ich mein Leben? Will ich müssen, weil mir mein echtes Wollen zu viel Angst macht? Und was täte ich, wenn mein Leben nur mir gehörte? Was will ich wirklich? Schöne Sommertage… 🙂
Kennen Sie dieses Lämpchen beim Geschirrspüler, das Sie auffordert, Regeneriersalz nachzufüllen? Sie können dieses Lämpchen getrost einige Tage ignorieren. Tun Sie dies zu lange, beginnt das Geschirr trüb zu werden, der Geschirrspüler wäscht nicht mehr richtig und früher oder später geht die Maschine kaputt. Solche oder ähnliche Lämpchen gibt es viele: Die Kaffeemaschine zeigt an, wann sie entkalkt werden will, Ihr Auto erinnert Sie an den notwendigen Ölwechsel. Bei der Benzinanzeige sollte man nicht allzu lange warten und bei machen Lämpchen sollte man den Motor besser sofort ausmachen. Genau wie viele Maschinen Warnsignale senden, sendet auch unser Köper Signale – unsere Gefühle. Sie sind nichts anderes wie Signale oder Zeichen, die uns Hinweise geben wollen. Doch oft übersehen wir diese Signale. Wir blenden sie aus und schauen weg. Wenn wir zum Beispiel schon in der Früh müde sind und diese Müdigkeit auch tagsüber nicht vergeht, wenn wir uns schon seit Monaten zur Arbeit schleppen und wir vor lauter Erschöpfung keinen klaren Gedanken mehr fassen können, dann sollten wir überlegen, was uns unser Körper sagen möchte. Angenehme und unangenehme Gefühle Für Gefühle gibt es keine klare Definition. Manche sprechen von fünf oder sieben Basisgefühlen, manche von guten oder schlechten Gefühlen. Ich bevorzuge eher den Ausdruck angenehmer und unangenehmer Gefühle. Tatsache ist, dass Gefühle ein Phänomen sind, die unseren Körper und unsere Psyche gleichermaßen betreffen. Nicht umsonst gibt es unzählige Ausdrücke, die diese Verbindung beschreiben: Ich werde starr vor Angst, bekomme Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen vor Sorgen, wir können blind vor Liebe werden oder Schmetterlinge im Bauch haben. Diese körperlichen Reaktionen kann man heute schon mit bildgebenden Untersuchungsmethoden sichtbar. Nein, es sind nicht wirklich Schmetterlinge auf dem Röntgenbild zu sehen. Allerdings kann man sehen, dass zum Beispiel bei Angst die Amygdala, das Alarmzentrum in unserem Gehirn, eine erhöhte Aktivität aufzeigt. Gefühle zu fühlen, müssen wir nicht erlernen, sie sind uns von Natur aus mitgegeben. Wir können sie nicht abtrainieren oder langfristig unterdrücken. Das macht uns krank. Aber wir können lernen, Gefühle bewusst wahrzunehmen, sie zu lesen, einzuordnen und entsprechend zu reagieren. Gefühle wahrnehmen bedeutet nicht gleich jedem Gefühl nachzugeben Das bedeutet nicht, dass wir jeder Gefühlsregung sofort nachgeben sollten. Wir müssen uns auch nicht permanent fragen, wie es uns geht und ob wir dieses oder jenes jetzt auch wirklich tun wollen? Jedes Lämpchen erfordert nicht sofortiges Einschreiten. Bestimmte Gefühle können getrost eine Weile ignoriert oder ausgehalten werden: Wahrnehmen, erkennen, einordnen und entscheiden. Die natürlichen Gefühlsschwankungen im Laufe eines Tages deuten ebenfalls auf keinen inneren Totalschaden hin. Gefühle haben außerdem eine wichtige soziale Komponente. Genau wie bei einem selbst, ist es wichtig zu lernen Gefühle bei anderen wahrzunehmen, zu erkennen, einzuordnen und entsprechend zu reagieren. Gelingt uns das nicht, führt das unweigerlich zu Irritationen, Missverständnissen oder Konflikten. Leider empfinden (Ironie) es noch immer viele Menschen als störend, wenn ihre Mitmenschen Gefühle zeigen oder sie thematisieren. Sie haben sicher schon einmal einen traurigen Film im Kino gesehen. Kaum jemand lässt hier seinen Tränen freien Lauf. Es ist verpönt uns selbst zu viele Gefühle zuzugestehen, da sie uns abhalten perfekt zu funktionieren. Vor allem unangenehme Gefühle sollen „weggehen“. Durch übermäßigen Medienkonsum, Computerspiele, Sport, Essen, Alkohol oder Arbeit gelingt dies zeitweise auch. Der hohe Preis der Ablenkung Diese Ablenkung hat allerdings einen hohen Preis. Wie bei jeder Sucht muss die Dosis ständig erhöht werden und man unterdrückt nicht nur die unangenehmen Gefühle, sondern stumpft auch gegenüber den angenehmen Gefühlen ab. Freude, Begeisterung oder Dankbarkeit werden ebenso betäubt wie Trauer, Wut oder Einsamkeit. Spätestens jetzt sollten wir die Warnsignale erkennen, wie bei einem Auto, bei dem auf dem Armaturenbrett alle Lämpchen gleichzeitig leuchten. Die gute Nachricht ist, dass Sie jeden Tag beginnen können, wieder besser mit sich in Kontakt zu kommen. In uns ist alles angelegt, mit Gefühlen umzugehen. Wir können lernen, die Hinweise zu lesen. Wenn wir beginnen, uns mit uns auseinanderzusetzten kann das zu Beginn durchaus sehr unangenehm sein. Wie bei einem Wasserball, der lange unter Wasser gedrückt wird, kann dann vieles plötzlich an die Oberfläche kommen. In unserer Serie „Gefühlskarussell“ werden wir wichtige Gefühle etwas genauer unter die Lupe nehmen. Wir werden gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen, wie ich Gefühle bei mir wahrnehmen kann, wie ich sie einordnen kann, was sie mir vielleicht sagen wollen und wie ich mit den Gefühlen meiner Mitmenschen umgehen kann. Schön, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen.
Sie buchen ein kostenloses 30-minütiges Erstgespräch.